Die EUR 500 Mio-Mogelpackung – oder: wie uns die Politik Sand in die Augen streut
Von DDr. Michael Stelzl, 25. Nov. 2025
Jahr für Jahre steigen Beiträge zu den Krankenkassen, wobei die Bevölkerung zunehmend den Eindruck hat, daß irgend etwas am System schief läuft.
Großspurig und medienwirksam wurde in der vergangenen Woche seitens der Regierung ein großer Wurf verkündet. Ein Gesundheitsfond mit EUR 500 mio wird als Wunderwaffe angekündigt!
Der Geldsegen führe zu verkürzten Wartezeite für OPs, bringt jedem seinen Hausarzt, verkürzte Wartezeiten bei Fachärzten und obendrein wird etwas gegen Adipositas bei Jugendlichen getan und eine wohnortnahe Versorgung mit mobiler Krankenbetreuung und vieles mehr versprochen. Die Liste ist lang und verspricht paradisische Zustände, denn es ist ja bald Weihnachten. Alle bekommen was schönes!
Da fragt man sich als Steuerzahler, weshalb das nicht schon früher in die Wege geleitet wurde, womit doch alle Probleme auf einen Schlag gelöst sind?
Offenbar ist man bei Ärztekammern und Patientenvertretern über so viele Wohltaten derartig begeistert, daß man sich vor Sprachlosigkeit nicht fassen kann. Bravo, das ist Politik vom Feinsten.
Nun muß ich meinen Sarkasmus beenden, denn die Lage ist bitterer Ernst und das Kollabieren des Gesundheitssystems steht unmittelbar bevor.
Bei genauerem Betrachten ist das oben gesagte natürlich alles Unfug erster Klasse.
Hört man der Frau Sozialminister und dem schwarzen Konterpart Wöginiger genau zu, so erfährt man, daß das Geld vor allem in den Ausbau von Primärversorgungszentren fließt. Diese kosten natürlich mehr, als Einzelordinationen bei gleicher Anzahl von Einzelordinationen, aber das interessiert ja niemanden. Das geplante Geld ist ja auch nur Ersatz für auslaufende Gelder, welche die EU bisher in die Förderung von Primärversorgungszentren investierte.
Hätten sich die Berater der Ministerin genau erkundigt, so wären Aussagen wie „damit wird die Versorgung zu Randzeiten und am Wochenende gewährleistet“ nicht gefallen.
Denn schon bisher müssen Ordinationen in OÖ mindestens 2x pro Woche „Abendordinationen“ anbieten, welche meist bis 19h geöffnet sind. Manche sogar bis 20h. Und am Wochenende sind auch PVEs geschlossen.
Wo bleibt die Verbesserung für die Patienten?
Der Ausbau dieser Zentren wird auch nicht die Pensionierungswelle der Boomergeneration wettmachen. Da solche PVEs ja nur in deutlich großen Orten zu finden sein werden, wird der wohnortnahe Hausarzt weiter aussterben, denn für diesen ist weiterhin kein Geld da. Und ohne adäquate Honorierung wird dort kein Nachfolger zu finden sein.
Selbst in Städten wie Linz ließ sich ein Primärversorgungszentrum für Kinderheilkunde nicht im (dort unterversorgten) Stadtteil Pichling/Solarcity errichten, weil Kinderärzte dort weder investieren noch arbeiten wollten. Erst als die Politik und Krankenkassen das schweren Herzens einsahen, wurde es in der im Stadtzentrum errichtet. Daran sieht man, daß nicht über die Köpfe der Ärzte entschieden werden kann.
Dort, wo es tatsächlich Probleme gibt, verschließt man die Augen. Hausärzte gäbe es genug. Denen müßte aber Wertschätzung abseits von Sonntagsreden (und vor Wahlen) entgegenbringen. Eine Art der Wertschätzung wäre auch, daß man die Krankenkassen entsprechend finanziell ausstatten müßte, um deren Leistungen adäquat zu honorieren und auch notwendige Gesprächszeiten mit den Patienten zu vergüten. Für EUR 32/Quartal oder EUR 34/Hausbesuch kommt nicht einmal irgend ein Handwerker.
Das Gesundheitssystem könnte auch massiv Geld sparen, wenn Leistungen, die in neu zu schaffende Institutionen („Gesundheitszentren ohne Ärzte“ © ÖGK-Obmann Huss im ORF) inklusive Neubau dazu umlenkt. Die bestehenden Ordinationen könnten von Wundversorgung, Wundpflege bis zur Diabetesschulung alles anbieten, wenn man dieses dazu notwendige Personal finanziert. Doch kein Hausarzt kann sich Wundpflegepersonal oder Diätassistenten leisten. Aber stattdessen werden solche Kräfte nur in eigenen Einrichtungen finanziert. Während sich ein einzelner Arzt auch ums Personal und auf eigene Zeit und Kosten für die Immobilie, das Personal kümmern muß, erledigen dies bei Primärversorgungszentren sogenannte Manager. Also ein weiterer Posten für gutes Geld. Dort werden das gesamte Personal und die Fixkosten von der Krankenkasse übernommen. „Koste es was es wolle“ gilt auch bei dieser halbstaatlichen Institution. Personalhoheit haben dort tätige Ärzte auch nur insoweit, als es Einstimmigkeit im Falle einer Kündigung geben muß.
Hinsichtlich der weiteren Heilsversprechungen greift man sich als Kenner des Gesundheitssystem auch nur auf den Kopf.
Versprochen werden allerlei Segnungen für die Bevölkerung, um beispielsweise übergewichtige Kinder und Jugendlichen zu behandeln. Weiters sollen (eigentlich sinnvolle) den Spitälern vorgelagerte Akutordinationen etabliert werden, um die Notaufnahmeambulanzen zu entlasten. Aber hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Schon vor wenigen Jahren wurde so ein Modell von der Ärztekammer OÖ erarbeitet. Gescheitert ist das Projekt daran, daß die Krankenkassen sich weigerten, einen finanziellen Beitrag dazu zu leisten. Begründung: das ist etwas, was sich dann das Spital erspart. Genau gegenteilig die Weigerung der Spitalserhalter, etwas zu bezahlen. Somit blieb dieses Projekt nur am Papier bestehen.
Und da sind wir dann beim eigentlichen Grundproblem: es gibt zu viele Akteure im System. Vor allem die getrennte Finanzierung des Gesundheitsbereichs in Ambulant und Stationär ist ein Grundübel. Jeder Player schiebt den Patienten der anderen Seite zu, um nicht die Kosten zu tragen. Dabei wäre die vielzietierte „best practice“ notwendig, damit der Patient genau dort landet und behandelt wird, wo es am sinnvollsten und wirtschaftlichsten ist. Daher ist es von Vorteil, Leistungen bei den niedergelassenen Ärzten derartig lächerlich zu honorieren, daß dies dann keiner macht und der Patient im Krankenhaus landet. Dort gibts dann keine zeitnahen Termine. Wer kann, zahlt sich aus Verzweiflung den Wahlarzt selber. Es gäbe genügend Behandlungen, die sich im niedergelassenen oder tageschirurgischen Bereich machen lassen, wie dies in vielen Ländern gang und gäbe ist. Müßte EINE Versicherung alle Behandlungen des Patienten begleichen, so wäre das System rasch geändert. Das hin- und herschieben der Versicherten wäre schlagartig beendet und dem System sowie dem Patienten geholfen. Österreich ist mit Griechenland einzigartig in Europa.
Leider wird keine Systemänderung passieren, denn zu viele politische Akteure wollen um keinen Preis der Welt etwas daran ändern und teilweise Versorgungsjobs für ihnen nahestehende Personen oder Platzhalter vor den Kopf stoßen.
Armes Österreich. Und so wird weitergewurstelt und nach der nächsten Wahl dürfen neue Arbeitskreise das Rad neu erfinden.
